Die Europäische Kommission treibt die Kapitalmarktunion weiter voran: Am 24. September 2020 hat sie nicht nur Vorschläge für einen EU-Rechtsrahmen für Kryptoassets vorgelegt, sondern auch einen neuen Aktionsplan für die Vollendung der Kapitalmarktunion.
1. Legislativpaket zu Kryptoassets
Als Teil ihres Pakets zur Digitalisierung des Finanzsektors hat die Kommission auch ein Legislativpaket zu Kryptoassets vorgelegt.
Kernstück ist ein Vorschlag für eine Verordnung über Märkte für Kryptowerte (Regulation on Markets in Crypto-assets – MiCAR) (COM(2020) 593). Er sieht im Wesentlichen vor, dass Emittenten und Anbieter von bislang ungeregelten Kryptowerten künftig Zulassungs- und Governance-Anforderungen sowie einer Aufsicht unterliegen, dafür aber auch in den Genuss eines „Europäischen Passes“ kommen sollen.
Vorgelegt wurde außerdem ein Vorschlag für eine Verordnung über ein Pilotregime für DLT-basierte Marktinfrastrukturen (COM(2020) 594).
Drittes Element ist ein Vorschlag für eine Änderungs-RL (COM(2020) 596) mit Folgeanpassungen in verschiedenen Richtlinien; zudem soll in Art. 4 Abs. 1 Nr. 15 MiFID II klargestellt werden, dass die Definition von „Finanzinstrumenten“ auch Finanzinstrumente erfasst, die mittels DLT emittiert werden.
Kryptowerte, die als Finanzinstrumente zu qualifizieren sind, sollen also (weiterhin) den Regeln für Finanzinstrumente unterliegen. Für die anderen – bislang ungeregelten – Kryptowerte soll dagegen mit der MiCAR ein eigener EU-Rechtsrahmen geschaffen werden. Die MiCAR soll dabei alle Arten von Kryptoassets erfassen, d.h. sowohl utility tokens als auch e-money tokens und asset-referenced tokens (damit sind also insbesondere auch stablecoins erfasst).
2. CMU Action Plan II
Fünf Jahre nach dem ersten Aktionsplan zur Schaffung einer Kapitalmarktunion (Capital Markets Union – CMU) hat die Kommission einen neuen Aktionsplan (COM(2020) 590) vorgelegt, dessen Ziel es ist, die Kapitalmarktunion endlich zu vollenden.
Der Aktionsplan knüpft an den Abschlussbericht des High Level Forum vom Juni 2020 an und umfasst insgesamt 16 Maßnahmen.
Ausgewählte Highlights
- Schaffung eines European Single Access Point (ESAP), über den alle publizitätspflichtigen finanziellen und nicht-finanziellen Unternehmensinformationen zugänglich sein sollen (z.B. Beteiligungstransparenz, Prospekte, Ad-hoc-Mitteilungen, CSR-Erklärung etc.). Ein Legislativvorschlag hierfür soll im 3. Quartal 2021 vorgelegt werden. Eine solche Bündelung der derzeit stark fragmentierten und auf verschiedene Kanäle verstreuten Unternehmensinformationen wäre in der Tat äußerst wünschenswert. Eine Vernetzung mit dem BRIS und den Insolvenzregistern ist jedoch offenbar nicht geplant. Dies ist ein wenig bedauerlich, da es dann am Ende doch keinen „one stop shop“ gibt.
- Mindestharmonisierung oder stärkere Konvergenz des Unternehmensinsolvenzrechts. Eine Initiative hierfür ist für das 2. Quartal 2022 angekündigt. Die Kommission ist insoweit indes deutlich zurückhaltender als noch das High Level Forum. Sie legt sich nicht einmal fest, ob es am Ende eine Legislativmaßnahme oder eine bloße Empfehlung sein wird. Eine Mindestharmonisierung in diesem Bereich wäre indes schon seit Langem überfällig.
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Evaluierung der ARRL: Im Rahmen der ohnehin für 2023 geplanten Überprüfung der Aktionärsrechte-RL (ARRL) will die Kommission u.a. prüfen, ob (i) endlich eine EU-weit harmonisierte
Definition des Begriff „Aktionärs“ geschaffen werden soll, und (ii) ob und wie die Vorschriften über die Interaktion zwischen Anlegern, Intermediären und Emittenten (z.B. record date,
Fristen, Formate) weiter präzisiert und harmonisiert werden können. Schon bis zum 4. Quartal 2021 soll allerdings überprüft werden, ob national Hindernisse für die Nutzung neuer digitaler
Technologien in diesem Bereich bestehen.
Eine Definition des Begriffs „Aktionär“ und weitere Reformen in puncto Digitalisierung wären in der Tat nachdrücklich zu begrüßen; darin sollten insbesondere auch die Erfahrungen mit den aktuellen COVID-19-Sonderregeln in vielen Mitgliedstaaten einfließen (vgl. auch J. Schmidt BB 2020, 1794, 1796 f.).
- Vereinfachung des Marktzugangs speziell für KMU. Insoweit ist die Kommission ebenfalls deutlich zurückhaltender als noch das High Level Forum. Bis zum 4. Quartal 2021 soll eine Überprüfung erfolgen, in deren Fokus speziell drei Punkte stehen: die KMU-Definition, eine etwaige Vereinfachung der Marktmissbrauchsregelungen und etwaige Übergangsbestimmungen für Erstemittenten an geregelten Märkten und KMU-Wachstumsmärkten.
- Überprüfung der Aufsichtsstrukturen (nicht zuletzt vor dem Hintergrund des Wirecard-Skandals) und ggf. Vorschlag von Legislativmaßnahmen (Q4 2021).
Weitere Maßnahmen:
· Überarbeitung der ELTIF-VO (Q3 2021);
· Überprüfung von CRR, CRD IV und Solvency II (2021);
· Prüfung einer etwaigen Pflicht von Banken, KMU auf alternative Geldgeber hinzuweisen (Q4 2021);
· Überprüfung der STSSR (Q4 2021);
· Machbarkeitsstudie für einen EU-Finanzbildungsrahmen (Q2 2021) und Prüfung eines etwaigen Omnibus-Rechtsakts in Bezug auf die Förderung der Finanzbildung von Verbrauchern (Q1 2022);
· Legislativvorschlag zur Änderung der MiFID II, um Bürokratieaufwand und Informationspflichten für bestimmte Kleinanleger zu reduzieren (Q4 2021/Q1 2022) und Überprüfung des Rechtsrahmens für Beratung und Produktinformationen von Kleinanlegern (IDD, MiFID II, PRIIP) (Q1 2022);
· Vergleichsübersicht der Mitgliedstaaten in Bezug auf Pensionen und Systeme, mit denen der Einzelne seine Pension nachverfolgen kann (Q4 2021); Studie zur Förderung der Beteiligung an der betrieblichen Altersvorsorge (Q3 2020);
· Vorschlag für ein standardisiertes System für den Einzug der Quellensteuer (Q4 2022);
· Überprüfung der CSDR (Q4 2021);
· Schaffung eines konsolidierten Datentickers (Q4 2021);
· Stärkung des Rahmens für den Schutz und die Erleichterung von Investitionen (Q2 2021).
The European Commission is pushing ahead with the Capital Markets Union: On 24 September 2020, it not only presented proposals for an EU legal framework for crypto assets, but also a new action plan for the completion of the Capital Markets Union.
1. Legislative package on crypto assets
As part of its Digital Finance Package, the Commission has also presented a legislative package on crypto assets.
At its core is a proposal for a regulation on markets for Regulation on Markets in Crypto-assets – MiCAR) (COM(2020) 593). In a nutshell, it provides that crypto assets issuers and providers or previously unregulated crypto assets will in the future be subject to authorization and governance as well as supervision, but in turn will benefit from an “EU passport”.
In addition, a proposal for a regulation on a pilot regime for market infrastructures based on DLT was also presented (COM(2020) 594).
The third element is a proposal for an amending directive (COM(2020) 596) with consequential adjustments in various directives; in addition, it would be clarified in art. 4(1) point 15 MiFID II that the definition of “financial instruments” also includes financial instruments issued by means of DLT.
Hence, crypto assets which qualify as financial instruments would continue to be subject to the rules on financial instruments. But for other – up to now unregulated – crypto assets, MiCAR would create a separate EU legal framework. MiCAR would cover all kinds of crypto assets, i.e. utility tokens as well as e-money tokens and asset-referenced tokens (and thus especially also stablecoins).
2. CMU Action Plan II
Five years after the first Action Plan to create a Capital Markets Union (CMU), the Commission has presented a new Action Plan (COM (2020) 590) with the aim of finally completing the Capital Markets Union.
The action plan builds on the final report of the High Level Forum of June 2020 and comprises a total of 16 measures.
Selected highlights
- Creation of a European Single Access Point (ESAP) which would give access to all financial and non-financial information which companies have to make public (e.g. major shareholdings, prospectuses, ad hoc disclosures, CSR reporting, etc.). A legislative proposal for this is to be presented in the third quarter of 2021. Such a bundling of company information, which is currently highly fragmented and scattered across various channels, would indeed be extremely desirable. Yet apparently, an interconnection with the BRIS and the insolvency registers is not planned. This is a little unfortunate, because in the end there will not be “one stop shop” after all.
- Minimum harmonization or greater convergence of corporate insolvency law. An initiative for this has been announced for the second quarter of 2022. In this respect, however, the Commission is significantly more cautious than the High Level Forum. It even leaves open whether there will be a legislative measure or a mere recommendation. However, minimum harmonization in this area is be long overdue.
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Evaluation of the SRD: As part of the review of the Shareholder Rights Directive (SRD) already planned for 2023, the Commission intends, among other things, to assess whether (i) an
EU-wide harmonized definition of the term "shareholder" should finally be created, and (ii) whether and how the rules on interaction between investors, intermediaries and issuers (e.g. record
date, deadlines, formats) can be further clarified and harmonized.
However, already by the fourth quarter of 2021, the Commission will investigate whether there are national regulatory barriers to the use of new digital technologies in this area.
A definition of the term “shareholder” and further reforms in terms of digitalization would indeed be very welcome; the experience currently gained under the special COVID-19 rules in many member states should contribute to this (see also J. Schmidt BB 2020, 1794, 1796 f.).
- Simplifying market access especially for SMEs. In this respect, the Commission is also significantly more cautious than the High Level Forum. A review is to take place by the 4th quarter of 2021, which will focus specifically on three points: the SME definition, any simplification of the market abuse rules and any transitional provisions for first-time issuers in regulated markets and SME growth markets.
- Review of the supervisory structures (not least against the background of the Wirecard scandal) and, if necessary, proposal of legislative measures (Q4 2021).
Further measures:
· review of the ELTIF-Regulation (Q3 2021);
· review of CRR, CRD IV and Solvency II (2021);
· analysis of a potential requirement for banks to direct SMEs to providers of alternative funding (Q4 2021);
· review of the STSSR (Q4 2021);
· feasibility assessment for a EU financial competence framework (Q2 2021) and assessment of a potential omnibus legislative act for support of financial education of consumers (Q1 2022);
· legislative proposal to amend MiFID II to reduce the administrative burden and information requirements for certain retail investors (Q4 2021/Q1 2022) and review of the legislative framework for investment advice and product information for retail investors (IDD, MiFID II, PRIIP) (Q1 2022);
· pension dashboards for Member States and pension tracking systems for individuals (Q4 2021); study to stimulate participation in occupational pension schemes (Q3 2020);
- proposal to introduce a standardized system for WHT relief at source (Q4 2022);
- review of the CSDR (Q4 2021);
- creation of a consolidated tape (Q4 2021);
- strengthening of the investment protection and facilitation framework in the EU (Q2 2021).
Prof. Dr. Jessica Schmidt, LL.M. (Nottingham)