Supply chain due diligence – EP-Entwurf / EP draft

Das Europäische Parlament hat am 10. März 2021 eine Entschließung verabschiedet (P9_TA-PROV(2021)0073), in dem es eine Richtlinie über die Sorgfaltspflicht und Rechenschaftspflicht von Unternehmen (Corporate Due Diligence Directive – CDDD) forderte – und gleich einen eigenen Entwurf dafür präsentierte.

 

Anwendungsbereich

Vom Anwendungsbereich der Richtlinie sollen nicht nur große Unternehmen, die dem Recht eines Mitgliedstaats unterliegen oder im Unionsgebiet niedergelassen sind, erfasst sein, sondern auch börsennotierte EU-KMU und EU-KMU, die in Wirtschaftszweigen mit hohen Risiko tätig sind (welche Wirtschaftszweige dies sind, soll dann die Kommission in der Richtlinie definieren); darüber hinaus soll sie aber auch für entsprechende drittstaatliche Unternehmen gelten, die durch den Verkauf von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen im Binnenmarkt tätig sind (Art. 2).

 

Due diligence-Strategie

Herzstück des Entwurf ist eine due diligence-Strategie. Nach Art. 4 müssen die erfassten Unternehmen eine due diligence-Strategie aufstellen und wirksam umsetzen. In der Strategie müssen die potenziellen und tatsächlichen nachteiligen Auswirkungen auf die Menschenrechte, die Umwelt und die verantwortungsvolle Unternehmensführung ermittelt und bewertet werden; die Wertschöpfungskette muss erfasst werden und es müssen alle verhältnismäßigen und angemessenen Konzepte und Maßnahmen ergriffen werden bzw. es muss eine Priorisierungsstrategie erstellt werden. Bei der Aufstellung der due diligence-Strategie müssen die Unternehmen Stakeholder einbeziehen, insbesondere Gewerkschaften und Arbeitnehmervertreter (Art. 5). Die due diligence-Strategie muss kostenlos auf der Webseite des Unternehmens und auf einer zentralen europäischen Plattform zur Verfügung gestellt werden (Art. 6). Mindestens einmal jährlich muss sie evaluiert und ggf. überarbeitet werden (Art. 8). Um Klarheit und Sicherheit für die Unternehmen zu schaffen, soll die Kommission Leitlinien erstellen (Art. 14). Außerdem soll es spezifische Maßnahmen zur Unterstützung von KMU geben: ein Informationsportal sowie finanzielle Unterstützung (Art. 15).

 

Enforcement

Als Enforcement-Mechanismen sind zunächst ein Beschwerdeverfahren (Art. 9) sowie ein Abhilfeprozess (Art. 10) vorgesehen. Zudem soll es freiwillige branchenspezifische Aktionspläne geben, um die Strategien der Unternehmen zu koordinieren (Art. 11).

Für die Aufsicht sollen die nationalen Behörden zuständig sein (Art. 12); sie sollen aber in einem European Due Diligence Network zusammenarbeiten (Art. 16).

Die Mitgliedstaaten sollen angemessene Sanktionen festlegen müssen; beispielhaft genannt werden u.a. umsatzabhängige Geldbußen oder der Ausschluss von öffentlichen Aufträgen, Beihilfen oder sonstiger öffentlicher Unterstützung (z.B. Darlehen) (Art. 18).

Ferner müssen die Mitgliedstaaten vorsehen, dass die Unternehmen nach nationalem Recht zivilrechtlich für potenzielle oder tatsächliche nachteilige Auswirkungen auf die Menschenrechte, die Umwelt oder die verantwortungsvolle Unternehmensführung haften, die sie selbst oder die von ihnen kontrollierte Unternehmen verursacht haben oder an denen sie beteiligt waren (Art. 19).

 

Internationale Aspekte

Schließlich sieht Art. 20 vor, dass die Bestimmungen der Richtlinie Eingriffsnormen i.S.d. Art. 16 Rom II-VO sind. Dies würde bedeuten, dass ein Gericht eines EU-Mitgliedstaats sie auch dann anwenden muss, wenn Deliktsstatut das Recht eines Drittstaats ist (d.h. wenn z.B. ein deutsches Unternehmen vor einem deutschen Gericht auf der Basis von nigerianischem Recht wegen [angeblicher] Menschenrechtsverletzungen in Nigeria verklagt wird). Der Entwurf des EP-Rechtausschusses (A9-0018/2021) hatte insoweit indes noch sehr viel weitergehende Regelungen vorgesehen (Ubiquitätsprinzip für Ansprüche wegen Menschenrechtsverletzungen; besonderer Gerichtsstand des Sachzusammenhangs; Notzuständigkeit der mitgliedstaatlichen Gerichte).

 

Fazit

Der Entwurf des Europäischen Parlaments vom 10. März 2021 für eine Corporate Due Diligence Directive  ist nicht nur hinsichtlich seines Anwendungsbereichs, sondern auch in Bezug auf die den Unternehmen auferlegten Pflichten sowie Sanktionen und Haftung wesentlich weitreichender als der am 3. März 2021 verabschiedete Regierungsentwurf eines Sorgfaltspflichtengesetzes. Darüber hinaus bleiben viele Punkte unklar – Rechtssicherheit ist in diesem Kontext indes von essenzieller Bedeutung, damit die Unternehmen überhaupt wissen, was sie konkret tun sollen.

In seiner jetzigen Form birgt der Entwurf die Gefahr, für die betroffenen Unternehmen (insbesondere auch KMU) nicht nur immensen Aufwand und Kosten zu genieren, sondern auch enorme Haftungsrisiken und erhebliche Nachteile im globalen Wettbewerb – ohne das Ziel, Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden effektiv zu verhindern, tatsächlich zu erreichen.

Die EU steht nun vor der großen Herausforderung, einen Rechtsrahmen zu schaffen, der einerseits Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden effektiv verhindert, andererseits aber die europäischen Unternehmen nicht unverhältnismäßig belastet.

 

Es wird erwartet, dass die Europäische Kommission im Sommer einen eigenen Entwurf vorlegen wird.

 

Prof. Dr. Jessica Schmidt, LL.M. 

On 10 March 2021, the European Parliament has adopted a resolution (P9_TA-PROV(2021)0073) requesting the Commission to submit a legislative proposal for a Corporate Due Diligence Directive; the resolution also already includes a full-blown draft proposal.

 

Scope

The Directive would not only apply to large undertakings governed by the law of a Member State or established in its territory, but also publicly listed EU-SMEs as well as EU-SMEs operating in high risk sectors (the relevant sectors would be defined by the Commission in the directive); moreover, it would also apply to equivalent undertakings governed by the law of a third country which operate in the internal market selling goods or providing services (art. 2).

 

Due diligence strategy

The key element of the proposal is the due diligence strategy. Pursuant to art. 4, undertakings covered by the directive shall establish and effectively implement a due diligence strategy. In the strategy, the potential or actual adverse impacts on human rights, the environment and good governance shall be identified and assessed; the value chain shall be mapped and all proportionate and commensurate policies and measures must be indicated and adopted and a prioritisation strategy must be set up. When establishing and implementing the due diligence strategy, undertakings shall involve the relevant stakeholders, in particular trade unions and workers’ representatives (art. 5). The due diligence strategy shall be published on the undertaking’s website and on a European centralised platform (art. 6). At least once a year, it shall be evaluated and revised accordingly (art. 8). In order to create clarity and certainty for undertakings, the Commission shall publish guidelines (art. 14). Moreover, there are specific measures in support of SMEs: an information portal and financial support (art. 15).

 

Enforcement

As enforcement mechanisms, there are, first of all, a grievance mechanism (art. 9) and a remediation process (art. 10). In addition, voluntary sectoral due diligence actions plans are envisioned to coordinate the due diligence strategies of undertakings (art. 11).

National authorities are responsible for supervision (art. 12); but they shall work together in a European Due Diligence Network (art. 16).

Members States shall provide for proportionate sanctions; e.g. fines based on turnover, exclusion from public procurement, state aid or other public support (e.g. loans) (art. 18).

Moreover, Member States shall provide that undertakings can, in accordance with national law, be held liable for any harm arising out of potential or actual adverse impacts on human rights, the environment or good governance, that they, or undertakings under their control, have caused or contributed to by acts or omissions (art. 19).

 

International aspects

Finally, art. 20 provides that the provisions of the directive are to be considered overriding mandatory provisions in line with art. 16 Rome II. This means that a court of a Member State would have to apply them if even if the applicable tort law is the law of a third country (e.g. if a German undertaking is sued before a German court on the basis of Nigerian law because of [alleged] human rights violations in Nigeria). In this respect, the draft of the European Parliament’s Committee on Legal Affairs (A9-0018/2021) had gone even further (ubiquity principle for claims for human rights violations; special jurisdiction; forum necessatitis of Member States’ courts).

 

Conclusion

The European Parliament’s draft of a Corporate Due Diligence Directive of 10 March 2021 is much more far-reaching than the German government draft of a Sorgfaltspflichtengesetz (Due Diligence Law) of 3 March 2021 – not only with regard to its scope, but also with regard to the obligations imposed on undertakings as well as sanctions and liability. In addition, many points remain unclear – although legal certain is of paramount importance in this context so that companies really know what they should actually do.

In its current form, the draft carries the risk of generating not only immense effort and costs for the companies concerned (especially also SMEs), but also enormous liability risks and considerable disadvantages in global competition – with actually achieving the goal to effectively prevent human rights violations and environmental damage.

The EU now faces the great challenge of creating a legal framework that, on the one hand, effectively prevents human rights violations and environmental damage, but on the other hand does not place a disproportionate burden on European companies.

 

The European Commission is expected to present its own draft in the summer.